Operation Nordafrika
Der Plan zur Destabilisierung Syriens - durch eine Koalition von Staaten unter Koordination der USA organisiert
Von Thierry Meyssan - Übersetzung aus dem Französischen durch Klaus von Raussendorff - 6.7.2011

Der Versuch, die Syrische Regierung zu stürzen, ähnelt in manchen Punkten dem Vorgehen gegen Libyen, aber die Resultate sind auf Grund der besonderen sozialen und politischen Gegebenheiten sehr verschieden. Das Projekt einer gleichzeitigen Vernichtung beider Staaten wurde bereits am 6. Mai 2002 von John Bolton, seinerzeit Unterstaatssekretär der Bush-Regierung, angekündigt. Seine Verwirklichung neun Jahre später unter Obama im Zusammenhang mit dem Arabischen Erwachen verläuft nicht ganz problemlos.

Wie in Libyen sah der ursprüngliche Plan vor, einen Militärputsch zu inszenieren, aber dies stellte sich schnell als unmöglich heraus, da sich die erforderlichen Offiziere nicht finden ließen. Nach unseren Informationen war ein identischer Plan auch für den Libanon vorgesehen. In Libyen wurde das Komplott aufgedeckt; Oberst Gaddafi ließ Oberst Abdallah Gehani [1] verhaften. In allen diesen Fällen wurde der ursprüngliche Plan im Zusammenhang mit dem „Arabischen Frühling“ überarbeitet.

Vorbild ein Szenario wie im libyschen Benghazi

Nun ging man von der Idee aus, in einer sehr begrenzten Zone Wirren anzuzetteln und dort ein islamisches Emirat als Basis für die Zerschlagung des Landes auszurufen. Die Wahl des Daraa-Distriktes erklärt sich durch die Nähe zur Grenze nach Jordanien und zu dem von Israel besetzten Golan. Dadurch wäre eine Versorgung der Sezessionisten möglich gewesen.

Es wurde künstlich ein Zwischenfall geschaffen, Oberschüler wurden aufgefordert, Provokationen durchzuführen. Das klappte besser, als erhofft, dank der Brutalität und Dummheit des Gouverneurs und des örtlichen Polizeichefs. Als es zu Demonstrationen kam, wurden Heckenschützen auf Dächern aufgestellt, um wahllos sowohl auf die Menge als auch auf die Ordnungskräfte zu schießen, ein Szenario, das auch in Benghazi angewandt wurde, um den Aufruhr zu schüren.

Weitere Zusammenstöße waren eingeplant, und zwar immer in grenznahen Bezirken, um eine rückwärtige Basis zu haben, zuerst an der Grenze zu Libanon, später an der türkischen Grenze.

Söldner aus dem Netzwerk des Saudischen Prinzen Bandar bin Sultan

Die Kampfhandlungen wurden von kleinen Einheiten durchgeführt, meist von etwa 40 Mann, bestehend aus vor Ort rekrutierten Individuen und einem Kader ausländischer Söldner aus dem Netzwerk des Saudischen Prinzen Bandar bin Sultan. Er selbst erschien vor Ort in Jordanien, wo er in Verbindung mit Offizieren von CIA und Mossad den Anfang der Operationen überwachte.

Aber Syrien ist nicht Libyen und das geplante Resultat wurde in sein Gegenteil verkehrt. Denn während Libyen ein von den Kolonialmächten geschaffener Staat ist, der gewaltsam aus Tripolitanien, Cyrenaika und dem Fezzan zusammengefügt wurde, ist Syrien eine historische Nation, die durch dieselben Kolonial-mächte auf ihre beschränkteste staatliche Erscheinungsform reduziert wurde. Während Libyen spontanen zentrifugalen Kräften ausgesetzt ist, wird Syrien durch zentripetale Kräfte zusammengehalten, die auf eine Rekonstruktion von Groß-Syrien hoffen, (das Jordanien, das besetzte Palästina, den Libanon, Zypern und einen Teil des Irak umfasst). Die Bevölkerung des heutigen Syrien kann gar nicht anders, als sich den Aufteilungsplänen zu widersetzen.

Bashar al-Assad – der beliebteste politische Führer des Nahen-Ostens

Im Übrigen ist die Autorität von Oberst Gaddafi und von Hafez al-Assad, dem Vater des jetzigen PräsidentenB ashar al-Assad, vergleichbar. Sie sind zur selben Zeit an die Macht gekommen und haben ihre Intelligenz und Brutalität eingesetzt, um sich zu behaupten. Dagegen hat Bashar al-Assad nicht die Macht ergriffen und wollte sie auch nicht erben. Er hat das Amt nach dem Tode seines Vaters angenommen, weil sein Bruder tot war, und weil nur die Legitimität der Assad-Familie einem Nachfolgekrieg unter den Generälen seines Vaters vorbeugen konnte. War es die Armee, die ihn aus London holte, wo er friedlich seinen Beruf als Augenarzt ausübte, so ist es sein Volk, das ihn erwählt hat. Er ist unbestreitbar der beliebteste politische Führer des Nahen-Ostens. Bis vor zwei Monaten war er auch der Einzige, der ohne Begleitpersonal ausging und sich vor einem Bad in der Menge nicht scheute.

Die militärischen Operation zur Destabilisierung von Syrien und die dementsprechende Medienkampagne wurden von einer Koalition von Staaten unter Koordination der USA organisiert, ebenso wie bei der Bombardierung und Stigmatisierung Libyens von der NATO sowohl Mitgliedsstaaten als auch Nichtmitgliedsstaaten koordiniert werden. Wie schon erwähnt, wurden die Söldner von Prinz Bandar-bin Sultan zur Verfügung gestellt; er begab sich extra auf eine internationale Rundreise von Pakistan bis nach Malaysia, um seine persönliche Armee, die von Manama bis Tripolis im Einsatz ist, aufzufüllen. Ein weiteres Beispiel ist die Einrichtung eines ad hoc-Zentrums für Telekommunikation in den Räumlichkeiten des libanesischen Telekom-Ministeriums.

Aber statt die Bevölkerung gegen das „Regime“ aufzustacheln, hat das Blutbad einen Ausbruch nationaler Gefühle um die Person von Präsident Bachar el-Assad bewirkt. Sich der Tatsache wohl bewusst, dass man sie in einen Bürgerkrieg zu stürzen versucht, sind die Syrer zusammengerückt. Während sich an den Demonstrationen gegen die Regierung insgesamt zwischen 150.000 und 200.000 Personen (bei einer Bevölkerung von 22 Millionen) beteiligten, sind bei den Demonstrationen für die Regierung Menschenmassen zusammengekommen, wie sie das Land noch nie erlebt hat.

Die Behörden haben mit Beherrschung auf die Ereignisse reagiert. Der Präsident hat endlich Reformen eingeleitet, die er schon seit langem realisieren wollte, und die von einer Mehrheit der Bevölkerung gebremst wurden aus Angst, die Gesellschaft würde verwestlichen. Die Baas-Partei hat das Mehrparteiensystem akzeptiert, um nicht in Anarchaismus zu versinken. Die Armee hat die Demonstranten nicht unterdrückt – trotz gegenteiliger Behauptungen der westlichen und Saudiarabischen Medien – sondern sie hat die bewaffneten Gruppen bekämpft. Allerdings haben die in der Sowjetunion ausgebildeten höheren Offiziere keine Schonung der zwischen die Fronten geratenen Zivilbevölkerung walten lassen.

Der Wirtschaftskrieg

Daraufhin änderte sich die Strategie des Westens und Saudi Arabiens. Als Washington merkte, dass die Militäraktion das Land kurzfristig nicht ins Chaos stürzen konnte, wurde entschieden, auf die Gesellschaft längerfristig einzuwirken. Man geht davon aus, dass die Assad-Regierung dabei ist, eine Mittelschicht zu schaffen (als einzig wirksame Garantie für Demokratie), und dass es möglich ist, diese Mittelschicht gegen ihn umzudrehen. Dazu muss ein wirtschaftlicher Zusammenbruch des Landes herbeigeführt werden.

Der Hauptreichtum Syriens ist das Erdöl, auch wenn seine Produktion nicht mit derjenigen seiner reichen Nachbarn zu vergleichen ist. Um das Öl zu verkaufen, muss das Land über Guthaben bei westlichen Banken verfügen, die als Garantie für die Transaktionen dienen. Es genügt, diese Guthaben einzufrieren, um das Land zu erdrosseln. Dazu erscheint es nützlich, das Erscheinungsbild Syriens zu verunglimpfen, um die westlichen Bevölkerungen dahin zu bringen, „Sanktionen gegen das Regime“ zu akzeptieren.

Versuch, Russland einzuschüchtern

Im Prinzip bedarf es für das Einfrieren von Guthaben einer Entschließung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die aber unwahrscheinlich ist. Zwar könnte sich China, das schon beim Angriff auf Libyen gezwungen war, auf sein Vetorecht zu verzichten, um zu vermeiden, seinen Zugang zum saudischen Öl zu verlieren, wahrscheinlich kaum widersetzen. Aber Russland könnte dazu bereit sein, weil es durch den Verlust seiner Marinebasis im Mittelmeer mit ansehen müsste, wie seine Schwarzmeerflotte hinter den Dardanellen versauert. Um Russland einzuschüchtern, hat das Pentagon den Kreuzer USS Monterrey ins Schwarze Meer geschickt, eine Demonstration, die zeigen soll, dass die maritimen Ambitionen Russlands auf alle Fälle unrealistisch sind.

Wie dem auch sei, die Obama-Regierung kann den Syrian Accountablity Act aus dem Jahre 2003 wiederbeleben, um Syrische Bankguthaben einzufrieren, ohne auf einen UNO-Beschluss zu warten, und ohne dafür einen Beschluss des US-Kongresses einholen zu müssen. Die jüngste Geschichte – siehe Cuba und Iran – hat gezeigt, dass Washington seine europäischen Alliierten leicht dazu bewegen kann, sich unilateral verhängten Sanktionen anzuschließen.

Daher hat sich die eigentliche Auseinandersetzung vom Schlachtfeld auf die Medien verlagert. Die öffentliche Meinung im Westen lässt sich umso leichter in die Irre führen, als sie über Syrien wenig informiert ist, und weil sie an die Magie der neuen Technologien glaubt.

Der Medienkrieg

Vor allem richtet die Propagandakampagne die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Verbrechen, für die das "Regime" verantwortlich gemacht wird, um allen Fragen zu der neuen Opposition auszuweichen. Die bewaffneten Gruppen haben wirklich nichts gemein mit den aufbegehrenden Intellektuellen, die die Erklärung von Damaskus verfasst haben. Sie kommen aus Kreisen sunnitisch-religiöser Extremisten. Als Fanatiker lehnen sie den in der Levante üblichen religiösen Pluralismus ab und träumen von einem Staat, der ihnen ähnelt. Sie bekämpfen Präsident Bachar al-Assad nicht, weil sie ihn für zu autoritär halten, sondern weil er Alawit ist, d.h. in ihren Augen ein Ketzer.

Insofern beruht die Propaganda gegen Assad auf einer völligen Verkehrung der Wirklichkeit.

Beispiel "Gay Girl in Damascus"

Man nehme nur das grotesque Beispiel des Blogs des „Gay Girl in Damascus“, das im Februar 2011 erschaffen wurde. Diese Webseite, in Englisch redigiert von der jungen Amina, wurde zu einer Quelle für viele transatlantische Medien. Die Autorin beschrieb die Schwierigkeiten einer jungen Lesbe unter der Assad-Diktatur und die schreckliche Repression im Verlauf der Revolution. Als Frau und Lesbe erfreute sie sich der schützenden Sympathie westlichen Internet-Surfer, die sich für sie einsetzten, als ihre Verhaftung durch die Geheimdienste des „Regimes“ gemeldet wurde.

Es stellte sich jedoch heraus, dass Amina gar nicht existiert. Durch die IP-Adresse in die Falle geraten, entpuppte sich ein 40jähriger US-amerikanischer "Student“ namens Tom McMaster als der eigentliche Autor dieser Schmierenkomödie. Der Propagandist, der in Schottland an einer Doktorarbeit schreiben soll, war auch in der Türkei bei dem von der pro-westlichen Opposition veranstalteten Kongress, bei dem zu einer NATO-Intervention aufgerufen wurde. Dort war er natürlich nicht in seiner Eigenschaft als Student. [2]

An dieser Geschichte überrascht am meisten nicht die Einfalt der Internet-Surfer, die an die Lügen der falschen Amina geglaubt haben, sondern das Aufgebot der Verteidiger der bürgerlichen Freiheiten zum Schutz jener, die diese bekämpfen. Im bekenntnisneutralen Syrien ist das Privatleben eine geschützte Zone. Die Homosexualität, formell verboten, wird nicht verfolgt. Es mag schwierig sein, Homosexualität in der Familie zu leben, aber nicht in der Gesellschaft. Dagegen sind jene, die in den westlichen Medien als Revolutionäre figurieren, tatsächlich jedoch aus unserer Sicht Konterrevolutionäre sind, hemmungslose Schwulenhasser. Sie empfehlen sogar, um dieses "Laster“ zu bestrafen, körperliche Züchtigungen, für einige selbst die Todesstrafe.

Wie man Tatsachen umdreht

Dieses Prinzip der vollständigen Verkehrung der Tatsachen wird in großem Stil praktiziert. Es sei nur an die UNO-Berichte über die humanitäre Krise in Libyen erinnert: Wanderarbeiter fliehen zu Zehntausenden aus dem Land, um der Gewalt zu entgehen. Daraus folgerten die nordatlantischen Medien, dass das "Regime“ von Gaddafi gestürzt werden muss, und dass die Aufständischen von Benghasi zu unterstützen sind. Es ist aber nicht die Regierung von Tripolis, die für dieses Drama verantwortlich ist, sondern es sind die sogenannten Revolutionäre der Cyrenaika, die auf die Schwarzen Jagd machten. Aufgrund rassistischer Einstellungen beschuldigten sie diese, samt und sonders im Dienst von Oberst Gaddafi zu stehen und lynchten, wessen sie habhaft werden konnten.

In Syrien verbreitet das nationale Fernsehen die Bilder der auf Dächern postierten bewaffneten Gruppen, die wahllos auf Demonstranten und Ordnungskräfte schießen. Aber dieselben Bilder werden von den westlichen und Saudi-arabischen Sendern übernommen, um diese Verbrechen der Regierung in Damaskus zuzuordnen.

Letztlich funktioniert der Plan der Destabilisierung Syriens nur halbwegs. Er hat die öffentliche Meinung im Westen überzeugt, dass das Land eine schreckliche Diktatur ist, aber er hat die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung hinter seiner Regierung zusammengeschweißt. Am Ende könnte es für die Urheber dieses Plans gefährlich werden, insbesondere für Tel-Aviv. Im Januar/Februar 2011 erlebten wir eine revolutionäre Welle in der Arabischen Welt, gefolgt von einer konterrevolutionären Welle im April/Mai. Das Pendel ist nicht am Ende seiner Bewegung angelangt.


Fußnoten:
[1] « La France préparait depuis novembre le renversement de Kadhafi », par Franco Bechis, Réseau Voltaire, 24 mars 2011.
[2] « Propagande de guerre : la bloggeuse gay de Damas », Réseau Voltaire, 13 juin 2011


Quelle: nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16703
Quelle des französischen Originals: voltairenet.org/Le-plan-de-destabilisation-de-la


Thierry Meyssan ist ein französicher Intellektueller, Gründungspräsident des Réseau Voltaire und der Konferenz Axis for Peace. Er veröffentlicht Analysen zur Außenpolitik in der arabischen, lateinamerikanischen und russischen Presse.




Anhang

Der Clan der Sudairi - Thierry Meyssan zur konterrevolutionären Rolle der Saudis in Nahost - Übersetzung: Klaus von Raussemdorff

In wenigen Monaten, sind drei pro-westliche Regierungen in der arabischen Welt gefallen: Das Parlament im Libanon hat die Regierung von Saad Hariri gestürzt, währen die Volksbewegungen in Tunesien Zine el-Abbidine Ben Ali verjagt und danach in Ägypten Hosni Mubarak verhaftet haben. Diese Regimewechsel sind von Protesten gegen die Vorherrschaft der Vereinigten Staaten und des Zionismus begleitet. Sie profitieren politisch von der Achse des Widerstands, die auf staatlicher Ebene von Iran und Syrien und auf innerstaatlicher Ebene durch Hezbollah und Hamas gebildet wird. Um die Konterrevolution in dieser Region zu betreiben, haben Washington und Tel Aviv an ihre beste Stütze appelliert: den Clan der Sudairi, der mehr als alles andere den Despotismus im Dienste des Imperialismus verkörpert.

Die Sudairi

Sie haben vielleicht noch nie davon gehört, aber die Sudairi stellen seit Jahrzehnten die reichste politische Organisation der Welt dar. Die Sudairi, das sind unter den dreiundfünfzig Söhnen des Königs Ibn Saud, des Gründers von Saudi Arabien, die sieben, die von der Prinzessin Sudairi geboren wurden. Ihr führender Kopf war König Fahd, der von 1982 bis 2005 regierte. Seit seinem Tode sind sie nur noch sechs. Der älteste ist der Prinz Sultan, seit 1962 Verteidigungsminister, 85 Jahre alt. Der jüngste ist der Prinz Ahmed, seit 1975 stellvertretender Innenminister, 71 Jahre alt. Seit den 60er Jahren ist es ihr Clan, der die pro-westlichen Marionettenregimes des "Großen Mittleren Ostens“ organisiert, strukturiert und finanziert hat. Hier ist zunächst eine historische Rückschau unerlässlich.

Saudi Arabien ist eine juristische Einheit, die während des ersten Weltkriegs von den Briten geschaffen wurde, um das Ottomanische Reich zu schwächen. Obwohl Lawrence von Arabien das Konzept der "arabischen Nation“ erfunden hat, ist es ihm nie gelungen, aus diesem neuen Land eine Nation zu machen, und noch viel weniger einen Staat. Es war und ist immer noch das Privateigentum der Saudis. Wie im 21. Jahrhundert die gerichtliche Untersuchung im Al-Yamamah-Skandal gezeigt hat, gibt es immer noch keine Bankkonten oder einen Haushalt des Königsreichs; Es sind die Konten der königlichen Familie, die der Verwaltung ihres privaten Bereichs dienen.

Ende des zweiten Weltkriegs, als das Vereinigte Königreich nicht mehr die Mittel zur Aufrechterhaltung seines eigenen Imperiums hatte, geriet dieses Territorium unter die Oberherrschaft der Vereinigten Staaten. Präsident Franklin D. Rosevelt schloss mit König Ibn Saud einen Vertrag: Die Familie der Saudis garantierte die Öl-Versorgung der Vereinigten Staaten, im Gegenzug gewährten diese die nötige Militärhilfe, um die Saudis an der Macht zu halten. Diese Allianz ist unter dem Namen Quincy-Vereinbarung bekannt, denn sie wurde an Bord eines Kriegsschiffs dieses Namens ausgehandelt. Es ist eine Vereinbarung, kein Vertrag, weil sie nicht zwei Staaten gegenseitig bindet, sonder einen Staat und eine Familie.

Die Quincy-Vereinbarung bindet die USA und die Familie der Saudis

Da der Gründer-König, Ibn Saud, 32 Gattinnen und 53 Söhne hatte, blieben eines Tages ernste Rivalitäten unter den potentiellen Nachfolgern nicht aus. Schließlich wurde entschieden, dass die Krone nicht vom Vater auf den Sohn überging, sondern von Halbbruder zu Halbbruder. Fünf Söhne Ibn Sauds haben den Thron schon bestiegen.

Der heutige König, Abdullah der Erste, 87 Jahre alt, ist ein eher aufgeschlossener Mann, wenngleich völlig abgehoben von den gegenwärtigen Realitäten. In dem Bewusstsein, dass das gegenwärtige dynastische System seinem Untergang entgegen geht, möchte er die Nachfolge-Regelungen reformieren. Der Souverän sollte von einem Rat des Königreichs bestimmt werden, d.h. von Vertretern der verschiedenen Zweige der königlichen Familie, und er sollte einer jüngeren Generation angehören.

Diese weise Idee ist der Sache der Sudairi nicht dienlich. Denn die drei nächsten Thronprätendenten gehören unter Berücksichtigung verschiedener Thronverzichte, die aus Gründen der Gesundheit oder bedingt durch Neigung zu privater Genusssucht erfolgten, tatsächlich dem Clan an: Der schon erwähnte Prinz Sultan, Verteidigungsminister, 85 Jahre alt, der Prinz Nayef, Innenminister, 78 Jahr alt, und der Prinz Salman, Gouverneur von Riad, 75 Jahr alt. Sollt die neue dynastische Regel angewandt werden, wäre sie zu ihrem Schaden.

Verständlich also, dass die Sudairi, die ihre Halbbrüder nie im Herzen getragen haben, König Abdallah inzwischen hassen. Verständlich auch, dass sie sich entschlossen haben, ihre ganze Kraft in die gegenwärtige Schlacht zu werfen.

Prinz Bandar und sein "Bruder“ George W. Bush

Ende der 70er Jahre wurde der Clan der Sudairi von dem Prinzen Fahd geleitet. Er bemerkte die seltenen Qualitäten des Prinzen Bandar, eines Sohnes seines Bruders Sultan. Er schickte ihn zu Verhandlungen über Waffenlieferungsabkommen nach Washington und schätzte seine Art, Präsident Carter den Vertrag abzuhandeln.

Als Fahd im Jahre 1982 den Thron bestieg, machte er Prinz Bandar zum Mann seines Vertrauens. Er ernannte ihn zum Militärattaché und später zum Botschafter in Washington. Diesen Posten bekleidete er während der ganzen Regierungszeit Fahds bis zu seiner brutalen Absetzung durch König Abdullah im Jahre 2005.

Prinz Bandar, Sohn des Prinzen Sultan und einer libyschen Sklavin, eine brillante Persönlichkeit und ohne Skrupel, hat sich trotz des seiner mütterlichen Herkunft anhaftenden Makels innerhalb der königlichen Familie durchzusetzen verstanden. Er ist heute der aktive Arm der Gerontokraten des Sudairi-Clans.

Während seines langen Aufenthalts in Washington hat Prinz Bandar freundschaftliche Bande zur Familie Bush geknüpft, insbesondere zu George H. Bush, mit dem er unzertrennlich war. Bush stellt ihn gern als einen Sohn vor, den er gern gehabt hätte, was ihm in der US-Hauptstadt den Spitznamen „Mister Bandar Bush“ einbrachte. Was George H. – früherer Direktor der CIA, dann Präsident der Vereinigten Staaten – an ihm am meisten schätzte, war seine Neigung zu Geheimaktionen.

„Mister Bandar Bush“ erhielt Zugang zu den höchsten Kreisen der Gesellschaft der Vereinigten Staaten. Er ist ebenso Administrator auf Lebenszeit des Apsen-Instituts (einflussreiches Dialog-Forum für globale Fragen/Anm.d.Ü.) wie Mitglied des Bohemian Grove (kulturell ambitionierter Club der Geldmachtelite/Anm.d.Ü.). Die britische Öffentlichkeit entdeckte seine Existenz im Zusammenhang mit dem Al-Yamamah-Skandal: Dabei ging es um den größten Rüstungsliefervertrag der Geschichte und zugleich die bedeutendste Korruptionsaffäre. Im Laufe von etwa zwanzig Jahren (1985-2006) verkaufte British Aerospace, bald in BAE Systems umbenannt, für 80 Mrd. Dollar Rüstungsgüter an Saudi Arabien und überwies dabei einen Teil dieses Manna zurück auf Bankkonten Saudi arabischer und wahrscheinlich auch britischer Politiker, davon 2 Mrd. Dollar allein für Prinz Bandar.

Seine Hoheit hat eben viele Ausgaben. Prinz Bandar übernahm auf sein Konto viele arabische Kämpfer, die im Kalten Krieg von den Geheimdiensten Saudi Arabiens und Pakistans rekrutiert wurden, um auf Wunsch von CIA und MI6 in Afghanistan gegen die Rote Armee zu kämpfen. Die bekannteste Figur dieses Milieus war niemand anderes als der zum jihadistischen Guru mutierte anti-kommunistische Milliardär Osama Bin Laden.

Es ist unmöglich, genau zu sagen, über wie viel Leute Prinz Bandar verfügt. Im Laufe der Zeit sieht man seine Hand in vielen Konflikten und Terrorakten in der islamischen Welt von Marokko bis ins chinesischen Xinjiang. Man erinnere sich beispielsweise an die kleine Armee, die er unter dem Namen Fatah al-Islam in das libanesische Palästinenserlager in Nahr el Bared eingeschleust hatte. Diese Kämpfer hatten den Auftrag, die mehrheitlich sunnitischen palästinensischen Flüchtlinge aufzuwiegeln, ein unabhängiges Emirat auszurufen und die schiitische Hezbollah zu bekämpfen. Die Sache ging schief, die Gehälter der Söldner waren nicht rechtzeitig gezahlt worden. Schließlich, 2007, verschanzten sich die Männer des Prinzen Bandar im Lager. 30.000 Palästinenser mussten fliehen, zwei Monate lang musste sich die libanesische Armee eine Schlacht liefern, um das Lager wieder einzunehmen. Die Operation kostete das Leben von 50 Söldnern, 32 palästinensischen Zivilisten und 68 libanesischen Soldaten.

Anfang 2010 zettelte Bandar einen Staatstreich an, um König Abdullah zu stürzen und seinen eigenen Vater, Prinz Sultan, auf den Thron zu setzen. Das Komplott wurde entdeckt, und Bandar fiel in Ungnade, ohne jedoch seine offiziellen Titel zu verlieren. Aber Ende 2010 verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Königs und seine chirurgischen Operationen wurden häufiger; die Sudairi gewannen wieder die Oberhand und konnten mit Unterstützung der Regierung Obama seine Rückkehr durchsetzten.

Der saudisch-libanesische Doppelstaatler Saad Hariri hat sich den Sudairi angeschlossen. Als abgewählter libanesischer Premierminister blockiert er seit drei Monaten die Bildung einer neuen Regierung und führt die laufenden Geschäfte weiter.

Saad Hariri hatte dem König im Krankenhaus in Washington einen Besuch abgestattet und ein wenig zu schnell geschlossen, dass dieser im Sterben lag, worauf er sich den Sudairi anschloss. Hariri ist Saudi, in Riad geboren, aber im Besitz der doppelten Staatsan-gehörigkeit. Er erbte sein Ver- mögen von seinem Vater, der alles den Saudis verdankte. Er ist daher dem König verpflichtet und auf dessen dringende Bitte war er Premierminister des Libanon ge- worden, wobei man sich hinsicht- lich seiner Fähigkeit, den Posten einzunehmen, im US-Außenmi-nisterium der USA Fragen stellte.

Solange er auf König Abdullah hörte, begann Saad Hariri, sich mit Präsident Bashar al-Assad zu versöhnen. Er nahm die Beschuldigungen zurück, die er im Bezug auf den Mord an seinem Vater, Rafik el-Hariri, gegen ihn ausgesprochen hatte, und bedauerte, manipuliert worden zu sein, künstlich Spannung zwischen Libanon und Syrien zu schaffen. Als Saad sich den Sudairi anschloss, machte er eine politische Kehrtwendung. Von einem Tag auf den anderen sagte er sich von der Befriedungspolitik des Königs Abdullah gegenüber Syrien und der Hezbollah los und setzte sich für eine Offensive gegen das Regime Bashar al-Assad und für die Entwaffnung der Hezbollah und einen Kompromiss mit Israel ein.

Indessen erwachte König Abdullah aus seinem halb-komatösen Zustand und verlangte unverzüglich Rechenschaft. Ohne unverzichtbare saudische Unterstützung wurden Hariri und seine Regierung zu Gunsten eines anderen bi-nationalen Milliardärs, Najib Mikati, der weniger auf Abenteuer aus ist, vom libanesischen Parlament gestürzt. Zur Strafe leitete König Abdullah eine Steuerfahndung gegen die bedeutendste Firma der Hariri in Saudi Arabien ein und ließ mehrere seiner Mitarbeiter wegen Betrugs verhaften.

Die Legionen der Sudairi

Die Sudairi beschlossen, an allen Fronten eine Konterrevolution einzuleiten. In Ägypten, wo sie mit einer Hand das Mubarak-Regime, mit der anderen die Moslembrüder finanzierten, haben sie inzwischen eine Allianz zwischen der Bruderschaft und pro-amerikanischen hohen Militärs durchgesetzt. Diese neue Koalition hat sich die Macht geteilt und die Führer der Revolution vom Tahrir-Platz ausgeschlossen. Sie lehnte es ab, eine verfassunggebende Versammlung einzuberufen und gab sich mit minimalen Verfassungsänderungen zufrieden.

Als erstes erklärte sie den Islam zur Staatsreligion, zu Lasten der christlichen Minderheit der Kopten (ungefähr 10%), die von Hosni Mubarak unterdrückt worden waren und in Massen gegen ihn mobilisiert hatten. Ferner rief Doktor Mahmoud Izzat, die Nummer Zwei der Brüder, zu einer schnellen Einführung der Scharia und der Wiedereinführung der islamischen Strafen auf. Der Sprecher der Moslembrüder in Ägypten, Essam Elarian, konzentriert seine Wahlkampagne nicht auf die Außerkraftsetzung der Camp-David-Abkommen sondern auf die Kriminalisierung der Homosexualität. Seiner Meinung nach, ist ein muslimischer Staat, selbst wenn die Mehrheit der Bevölkerung dieses "Laster“ akzeptiert, verpflichtet, es nach der Scharia zu unterdrücken.

Dem jungen Waël Ghoneim, der eine führende Rolle beim Sturz des Tyrannen gespielt hatte, wurde bei der Siegesdemonstration am 18. Februar mit fast 2 Millionen Menschen das Podium untersagt. Stattdessen äußerte sich lang und breit der Starprediger der Brüder, Youssef al-Qardawi, der nach 30 Jahren aus dem Exil in Katar zurückgekehrt ist. Er, dem Gamal Abdel Nasser die ägyptische Staatsbürgerschaft aberkannte, spielte sich als Verkörperung der neuen Ära auf, der Ära der Scharia und der friedlichen Koexistenz mit dem zionistischen Regime von Tel Aviv.

Nobelpreisträger Mohammed el-Baradeï, den die Moslembrüder während der Revolution als ihren Sprecher ausgesucht hatten, um sich ein offenes Image zu geben, wurde während des Verfassungsreferendums von denselben Moslembrüdern angegriffen und von der politischen Szene entfernt.

Die Moslembrüder vollzogen ihr reguläres Erscheinen auf der politischen Szene mit der Gründung der Partei der Freiheit und Gerechtigkeit, die von der US-amerikanischen Nationalen Stiftung für Demokratie (NED) unterstützt wird und das Image der türkischen AKP imitiert. (In Tunesien hat man bei der Partei der Renaissance dieselbe Strategie gewählt.)

In diesem Zusammenhang kam es zu Gewaltakten gegen religiöse Minderheiten. So wurden zwei koptische Kirchen niedergebrannt. Weit davon entfernt die Angreifer zu bestrafen, gab ihnen der Premierminister eine Gewähr für seine Einstellung: Er entließ den von ihm gerade ernannten Gouverneur der Provinz Qenna, den angesehenen General Imad Mikhael, weil dieser nicht sunnitischer Moslem ist sondern koptischer Christ.

Ziel: Störenfried Gaddafi aus dem Weg räumen

Der Golf-Kooperationsrat wünschte die NATO-Intervention in Libyen und veranlasste den Einsatz der Armee Saudi Arabiens und der Polizei der Vereinigten Arabischen Emirate, um die Protestbewegung in Bahrain zu zerschlagen.

In Libyen verlegten die Sudairi, noch bevor Franzosen und Briten das Signal zum Aufstand gegen die Macht von Tripolitanien gaben, bewaffnete Kämpfer in die Cyrenaika. Sie verteilten Waffen und rot-schwarz-grüne Fahnen mit Stern und Halbmond, den Symbolen der Senussi-Monarchie, der historischen Schutzmacht der Moslembrüder. Ihr Ziel ist es, den Störenfried Gaddafi aus dem Weg zu räumen und Prinz Mohammed wieder auf dem Thron des einstigen Vereinigten Königreichs Libyen einzusetzen. Der Golf-Kooperationsrat verlangte als erster eine bewaffnete Intervention gegen die Regierung in Tripoli. Im Rat der Golfstaaten war es die Saudi Arabische Delegation, die durch diplomatische Manöver darauf hinwirkte, dass die Arabische Liga den Angriff der westlichen Armeen guthieß.

Gaddafi hatte in mehreren Reden seinerseits behauptet, dass es in der Cyrenaika keine Revolution gebe, dass sein Land sich vielmehr gegen eine Destabilisierungsoperation von Al Qaïda wehren müsse; Behauptungen, über die man sich lustig gemacht hat, doch zu Unrecht, denn sie wurden durch den Kommandeur von AFRICOM persönlich bestätigt: Man erinnere sich der peinlichen Lage von General Carter F. Ham, Kommandant der ersten militärischen Operationen der USA, bevor seine Ablösung durch die NATO erfolgte. Er war darüber erstaunt gewesen, sich bei der Auswahl seiner Angriffsziele auf Spione am Boden stützen zu müssen, die bekanntermaßen die alliierten Truppen in Afghanistan bekämpft hatten, d.h. auf die Leute von Bin Laden.

Bahrain – nur fiktiv unabhängig

Bahrain präsentiert sich seit 1971 als ein unabhängiges Königreich. In Wirklichkeit ist es immer noch ein von den Briten regiertes Territorium. Diese hatten zu ihrer Zeit den Prinz Khalifa als Premierminister ausgewählt und diesen nach der fiktiven Unabhängigkeit seit 40 Jahren ununterbrochen und heute immer noch auf diesem Posten gehalten. Eine Kontinuität, die den Sudairi nicht missfällt.

König Hamad von Bahrain gewährte den Vereinigten Staaten eine Konzession; und diese errichteten im Hafen von Juffair das Marinehauptquartier des Central Command und der Fünften Flotte. Unter diesen Umständen bedeutet die populäre Forderung nach einer konstitutionellen Monarchie den Schritt zu einer wirklichen Unabhängigkeit, das Ende der britischen Vorherrschaft und den Abzug der US-Truppen. Eine solche Entwicklung würde unweigerlich auf Saudi Arabien übergreifen und die Grundlagen des Systems bedrohen. Die Sudairi überzeugten den König von Bahrain, alle populären Hoffnungen im Blut zu ersticken. Garant der bestehenden Ordnung ist Prinz Nayef, seit 41 Jahren schonungsloser saudischer Innen- und Informationsminister.

Am 13. März traf US-Verteidigungsminister Robert Gates ein, um für die Koordination der Operationen in Manama die nötigen Vorkehrungen zu treffen, die am folgenden Tag mit dem Einmarsch der saudischen Sondertruppen unter dem Kommando von Prinz Nayef, bekannt als „Nayefs Adler“ begannen. In wenigen Tagen wurden alle Symbole des Protestes zerstört, darunter das einst auf dem Perlenplatz errichtete öffentliche Denkmal. Hunderte Menschen wurde getötet oder als vermisst gemeldet. Die Folter – die seit etwa zehn Jahre fast abgeschafft war – wurde erneut allgemein eingeführt. Die Ärzte und Krankenschwestern, welche die verwundeten Demonstranten versorgt hatten, wurden in ihren Krankenhäusern verhaftet, im Geheimverfahren eingesperrt und vor Militärgerichte gebracht.

Doch das Wichtigste an dieser brutalen Repression ist die Absicht, einen Konflikt zwischen einer ganzen Bevölkerung und einer Klasse von Privilegierten, die sich an den ausländischen Imperialismus verkauft hat, d.h. einen typischen Klassenkonflikt in einen sektiererischen Konflikt zu verwandeln. Da unter einer sunnitischen Herrscherfamilie die Mehrheit der Bahrainer Schiiten sind, wurde das Schiitentum – das Vehikel des revolutionären Ideals von Ruallah Khomeini – als Zielscheibe ausgemacht. In einem Monat haben „Nayefs Adler“ 25 Moscheen dem Erdboden gleich gemacht und 253 weitere zerstört.

21 Anführer des politischen Protestes werden demnächst von einem Sondertribunal abgeurteilt. Sie müssen mit der Todesstrafe rechnen. Mehr noch als auf die Schiiten stürzte sich die Monarchie auf Ibrahim Chérif, den Präsidenten der linken laizistischen Partei Waed, der sie vorwirft, als sunnitische Organisation das Konfessionalismus-Spiel nicht mitzumachen.

Mangels der Möglichkeit, den Iran zu destabilisieren, haben die Sudairi ihre Angriffe auf Syrien konzentriert.

Ein Saudi-Arabischer Clan, die Sudairi, steht im Mittelpunkt der konterrevolutionären Welle, die im Nahen Osten von den Vereinigten Staaten und Israel ausgelöst worden ist. Anfang Februar, als Syrien noch nichts von irgendeiner Demonstration wusste, wurde auf Facebook eine Seite mit dem Titel „Die Syrische Revolution 2011“ kreiert. Sie rief für Freitag, den 4. Februar, zu einem „Tag der Wut“ auf, was von Al-Jazeera verbreitet wurde aber ohne irgendein Echo blieb. Das Ausbleiben einer Reaktion wurde von der Fernsehanstalt aus Katar bedauert, Syrien als das „Königreich des Schweigens“ bezeichnet.

Schon das Logo „The Syrian Revolution 2011“ gibt zu denken: Es ist auf Englisch und wie für Werbeslogans üblich formuliert. Welcher wirkliche Revolutionär käme auf den Gedanken, dass er, wenn er sein Ideal nicht 2011 verwirklichen kann, nachhause gehen und sich schlafen legen würde? Noch seltsamer: am Tag ihrer Einführung verzeichnete diese Facebook-Seite 80.000 Freunde. In wenigen Stunden eine solche Begeisterung, und dann rein gar nichts, das lässt an eine mit einem Softwareprogramm zur Einrichtung von Konten durchgeführte Manipulation denken. Umso mehr, als Syrer vom Internet nur wenig Gebrauch machen und erst seit dem 1. Januar DSL-Zugang haben.

Es begann mit bezahlten Graffiti

Einen Monat später begannen die Wirren in Deraa, einer ländlichen Kleinstadt an der jordanischen Grenze, wenige Kilometer von Israel entfernt. Unbekannte bezahlten Jugendliche dafür, dass sie Graffiti gegen die Regierung auf Mauern in der Stadt sprühten. Die örtliche Polizei verhaftete die Oberschüler und behandelte diese zur größten Entrüstung ihrer Familien wie Kriminelle. Die örtlichen Notablen, die vorhatten, den Streit zu schlichten, wurden vom Gouverneur wie Strolche behandelt. Die jungen Leute wurden verprügelt. Die wütenden Familien griffen das Kommissariat an, um sie zu befreien. Die Polizei antwortete mit noch größerer Brutalität, wobei sie Protestierende tötete.

Präsident Baschar al-Assad schritt ein, um die Polizisten und den Gouverneur zu maßregeln – dieser ist ausgerechnet einer seiner Vettern, den er nach Deraa versetzt hatte, um ihn in der Versenkung verschwinden zu lassen. Eine Ermittlung wurde eingeleitet, um diesen polizeilichen Übergriff völlig aufzuklären, die Beamten, die für die Gewaltakte verantwortlich waren, wurden angeklagt und hinter Gitter gebracht. Minister begaben sich an Ort und Stelle, um den Familien der Opfer die Entschuldigung und das Beileid der Regierung auszusprechen; Entschuldigung und Beileid wurden öffentlich entgegengenommen.

Alles hätte wieder in Ordnung gehen sollen. Plötzlich schossen vermummte Heckenschützen, die sich auf Dächern postiert hatten, zugleich in die Menge wie auf Polizisten und stürzten so die Stadt ins Chaos. Die Verwirrung ausnutzend attackierten bewaffnete Individuen außerhalb der Stadt ein öffentliches Gebäude, in dem die Nachrichtendienste untergebracht sind, deren Auftrag es ist, das von Israel besetzte syrische Territorium des Golan zu beobachten. Um das Gebäude und seine Archive zu verteidigen, eröffneten die Sicherheitskräfte das Feuer. Es gab Tote auf beiden Seiten.

Zusammenstöße dieser Art wiederholten sich. Angesichts der in die Stadt eingedrungenen Angreifer forderten die Notablen den Schutz der Armee an. Dreitausend Mann und Panzer wurden in Stellung gebracht, um die Einwohner zu schützen. Schließlich kam es zu einer Schlacht, in der sich die eingedrungenen Kämpfer und die syrische Armee gegenüberstanden, wie in einer Neuauflage der Belagerung von Nahr el-Bared durch die libanesische Armee. Nur, dass diesmal die internationale Presse die Tatsachen entstellte und die syrische Armee beschuldigte, die Bevölkerung von Deraa anzugreifen.

Waffen und Geld aus Libanon für Mafiagruppen

Währenddessen kam es zu Zusammenstößen in Lattakia. Dieser Hafen ist seit langem Tummelplatz von Mafiagruppen, die sich auf Schmuggel über See spezialisiert haben. Diese Individuen bekamen Waffen und Geld aus Libanon. Sie verwüsteten das Zentrum der Stadt. Die Polizei schritt ein. Auf Befehl des Präsidenten waren die Ordnungskräfte nur mit Schlagstöcken bewaffnet. Daraufhin holten die Gangster ihre Kriegswaffen heraus und töteten Dutzende unbewaffneter Polizisten.

Dasselbe Szenario wiederholte sich im Nachbarort Banias, einer zwar kleinen aber strategisch bedeutenden Stadt, insofern sich hier die Hauptraffinerie des Landes befindet. Nun machten die Sicherheitskräfte von ihren Waffen Gebrauch, der Zusammenstoß geriet zu einer regelrechten Schlacht.

Schließlich kamen in Homs, einer wichtigen Stadt im Zentrum, Leute zusammen, um in einer integristischen Moschee an einem Gebet teilzunehmen; sie riefen die Gläubigen auf, gegen „das Regime, das unsere Brüder in Lattakia getötet hat“, zu demonstrieren.

Riesige Demonstrationen für Baschar el-Assad

Als Reaktion auf die Wirren ging die syrische Bevölkerung in Massen auf die Straße, um ihre Unterstützung der Republik zu bekunden. Riesige Demonstrationen, wie sie das Land noch nie in seiner Geschichte erlebt hatte, vereinten in Damaskus, Aleppo und selbst Lattakia jedes Mal Hunderttausende vom Menschen unter der Losung „Gott, Syrien, Baschar!“

Bei den Zusammenstößen, die sich in den betroffenen Ortschaften verschärften, gelang es den Ordnungskräften, die Kämpfer zu verhaften. Sie waren nach den im Fernsehen übertragenen Geständnissen von Jamal Jarrah, einem libanesischen Abgeordneten der Partei von Saad Hariri, rekrutiert, bewaffnet und bezahlt worden, was dieser abstreitet.

Jamal Jarrah ist ein Freund von Prinz Bandar (siehe Teil 1). Dessen Name taucht auch in der Affaire von Fatah al-Islam in Nahr el-Bared auf. Er ist der Vetter von Ziad Jarrah, eines Djihadisten, der vom FBI beschuldigt wird, für die Entführung von Flug UA93, der am 11. September 2001 in Pennsylvania abstürzte, verantwortlich zu sein. Er ist auch der Vetter der Brüder Ali und Youssouf Jarrah, die im November 2008 von der libanesischen Armee wegen Spionage für Israel verhaftet wurden.

Moslembrüder rufen zum Sturz von Baschar al-Assad auf

Von London und Paris aus rufen Ali Saad-al-din Bayanouni (Generalsekretär der syrischen Sektion der Moslembrüder) und Abdel-Halim Khaddam (Ehemaliger Vizepräsident von Syrien) zum Sturz von Baschar al-Assad auf.

Jamal Jarrah soll geheimes Mitglied bei den Moslembrüdern sein, was er ebenfalls dementiert. Im Jahre 1982 versuchten die Moslembrüder, in Syrien die Macht zu ergreifen. Sie scheiterten und wurden Opfer einer schrecklichen Massenrepression. Seit der von Baschar al-Assad verkündeten Amnestie hielt man diese schmerzliche Erinnerung für vergessen. Dem ist nicht so, wird doch dieser Zweig der Moslembrüder inzwischen von den Sudairis, von denen sie einst exkommuniziert worden waren, finanziert. Die Rolle der Bruderschaft in den Zusammenstößen von Banias wird jetzt allgemein anerkannt.

Jamal Jahrrah soll auch libanesische Kämpfer eingesetzt haben, die der Hizb ut-Tahrir angehören, einer in London ansässigen und vor allem in Zentralasien aktiven islamistischen Organisation. Die Hizb ut-Tahrir, die sich als gewaltfrei bezeichnet, wird beschuldigt, zahlreiche Anschläge im Ferghanatal organisiert zu haben. Zu ihrer Bekämpfung verstärkte China im Rahmen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit die Annäherung an Russland. Die Verantwortlichen der Gruppe wurden trotz mehrerer Debatten im Unterhaus nicht behelligt und bekleiden in anglo-amerikanischen transnationalen Konzernen Posten auf höchster Ebene.

Die Hizb ut-Tahrir eröffnete letztes Jahr eine Sektion im Libanon. Bei dieser Gelegenheit veranstaltete sie einen Kongress, zu dem sie ausländische Persönlichkeiten einlud, darunter einen international bekannten russischen Intellektuellen. Im Verlauf der Debatten riefen die Organisatoren zur Errichtung eines islamischen Staates auf, wobei sie klarmachten, dass für sie Schiiten und libanesische Drusen – und selbst bestimmte Sunniten – keine echten Muslime sind und ebenso wie die Christen vertrieben werden müssten. Höchst erstaunt über dieses Großmannsgehabe, beeilte sich der russische Intellektuelle, Fernsehinterviews zu geben, um sich von diesem Fanatiker zu distanzieren.

Baschar al-Assad erfüllt die populären Hauptforderungen

Die syrischen Sicherheitskräfte schienen zunächst durch die Ereignisse überfordert. Die höheren Offiziere, die in der UdSSR ausgebildet worden waren, setzten Gewalt ein, ohne sich allzu sehr um die Auswirkungen auf die Bevölkerung zu sorgen. Doch die Lage wandelte sich von Mal zu Mal. Präsident Baschar al-Assad übernahm wieder das Kommando. Er wechselte die Regierung aus. Er schaffte die Notstandsgesetze ab und löste den Obersten Gerichtshof für Staatssicherheit auf. Er verlieh Tausenden von Kurden die syrische Staatsangehörigkeit, deren sie, aufgrund einer umstrittenen Volkszählung seit Jahrzehnten beraubt waren. Außerdem ergriff er verschiedene Maßnahmen wie die Abschaffung von Bußgeldern wegen Zahlungsrückstand bei öffentlichen Versorgungsbetrieben (Elektrizität etc.) Damit entsprach er den populären Hauptforderungen und nahm der Opposition den Wind aus den Segeln. Am "Tag der Kampfansage“, Freitag, den 6. Mai, betrug die Gesamtheit der Demonstranten im Land keine 50.000 Menschen bei einer Bevölkerung von 22 Millionen Einwohnern.

Insbesondere appellierte der neue Innenminister Mohammad al-Sha’ar an alle, die sich zu den Massenunruhen hatten hinreißen lassen, sich spontan bei der Polizei zu melden und im Austausch gegen Informationen in den Genuss einer Amnestie zu kommen. Mehr als 1100 Mensche haben entsprechend reagiert. In wenigen Tagen waren die hauptsächlichen Verbindungswege zerschlagen und zahlreiche Waffenverstecke beschlagnahmt. Nach fünf Wochen Gewalt kehrte langsam die Ruhe in fast allen von Unruhen betroffenen Städten zurück.

Unter den identifizierten und verhafteten Drahtziehern sollen israelische oder libanesische Offiziere sein, einer soll ein Saad Hariri nahe stehender libanesischer Politiker sein. Dieser Versuch der Destabilisierung wird also ein Nachspiel haben.

In der saudischen Regierung nutzten die Sudairi die Krankheit König Abdullahs aus, um ihn beiseite zu schieben. Mit Hilfe der USA und Israels beendeten sie die Annäherung zwischen Abdullah und al-Assad und übernahmen die Oberaufsicht über die arabische Konterrevolution.

Komplott auf schwachen Beinen

Was ursprünglich ein Komplott zum Sturz der syrischen Behörden war, wurde zu einem öffentlichen Erpressungsmanöver mit dem Ziel der Destabilisierung. Wohl wissend, dass die Revolte nicht reüssieren wird, thematisierten die Syrien-feindlichen arabischen Tageszeitungen ohne Scham laufend faule Kompromissangebote. Sie berichteten über die Reisen von Unterhändlern, die nach Damaskus kamen, um die Forderungen der Sudairi zu präsentieren. Glaubt man diesen Zeitungen, werden die Gewaltausbrüche erst aufhören, wenn Baschar al-Assad sich zwei Befehlen beugt: Bruch mit Iran und Beendigung der Unterstützung für den Widerstand in Palästina, Libanon und Irak.

Die internationale Propaganda – Al Jazeera

Die Sudairi wünschen eine westliche Militärintervention, um dem syrischen Widerstand ein Ende zu machen, ganz in der Art, wie die Aggression gegen Libyen erfolgt.

Abrupt änderte der Satelliten-Fernsehsender Al-Jazeera zur allgemeinen Überraschung seine redaktionelle Linie. Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser Sender auf Wunsch der Brüder David und Jean Frydman, französischer Milliardäre und Berater von Atzak Rabin und Ehud Barak, geschaffen wurde. Sie wollten ein Medium schaffen, um eine Diskussion zwischen Israelis und Arabern möglich zu machen, da doch in jedem der betroffenen Länder eine solche Diskussion gesetzlich verboten war.

Um den Sender zu errichten, erbaten sie die Hilfe des Emirs von Katar, der anfangs die Rolle eines Aushängeschilds spielte. Der Redaktionsstab wurde beim Arabischen Dienst der BBC rekrutiert, sodass anfangs die Mehrheit der Journalisten Agenten des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 waren. Doch der Emir übernahm die politische Kontrolle des Senders, der damit zum aktiven Arm seines Fürstentums wurde. Im Laufe der Jahre spielte al-Jazeera tatsächlich eine beschwichtigende Rolle, förderte den Dialog und die Verständigung in der Region. Aber der Sender trug auch dazu bei, das System der israelischen Apartheid zu verharmlosen, als ob die Gewaltakte der israelischen Armee nur bedauerliche Fehlleistungen eines akzeptablen Regimes sind und nicht das Wesentliche des Systems ausmachen.

Ex-Präsident Ben Ali fand in Saudi Arabien Zuflucht bei Prinz Nayef. Al-Jazeera, das über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten in außergewöhnlicher Weise berichtet hatte, wechselte mit der Libyen-Affäre abrupt seine redaktionelle Linie und wurde zum Sprecher der Sudairi.

Gründe für den Angriff auf Libyen

Diese Kehrtwendung bedarf einer Erklärung. Der Angriff auf Libyen ist ursprünglich ein französisch-britischer Plan, der im November 2010, also deutlich vor dem "arabischen Frühling“, konzipiert wurde, und dem sich die Vereinigten Staaten angeschlossen haben. Paris und London verständigten sich darauf, mit Tripoli abzurechnen und ihre kolonialen Interessen zu verteidigen. Tatsächlich hatte 2005/2006 die staatliche libysche Erdölgesellschaft NOC in drei Aufrufen zur Abgabe von internationalen Angeboten für die Ausbeutung ihrer Reserven, der größten in Afrika, aufgefordert. Oberst Gaddafi hatte seine Spielregeln durchgesetzt. Die westlichen Gesellschaften hatten verschiedene durchaus vorteilhafte aber aus ihrer Sicht wenig zufriedenstellende Abkommen abgeschlossen. Es handelte sich allerdings um die für Multis am wenigsten günstigen Abkommen der Welt. Hinzu kamen verschiedene Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Aufkündigung von sehr gewinnbringenden Ausrüstungs- und Rüstungskontrakten. Schon in den ersten Tagen der angeblichen Erhebung von Bengasi hatten Paris und London einen Nationalen Übergangsrat eingesetzt, den Frankreich offiziell als legitimen Vertreter des libyschen Volkes anerkannte. Dieser Rat gründete eine neue Ölgesellschaft, die LOC, die auf dem Londoner Gipfel als rechtmäßige Fördergesellschaft des Landes anerkannt wurde. Im Zuge dieses Raubüberfalls wurde entschieden, dass die Vermarktung des von der LOC gestohlenen Öls durch Katar erfolgen soll, und dass die Kontaktgruppe der verbündeten Staaten künftig in Doha zusammentreffen wird.

Youssef al-Qardawi hält die Befreiung Palästinas zwar für wichtig aber weniger wichtig als die Einführung der Scharia. Als religiöser Berater des Senders wetterte Youssef al-Qardawi Tag für Tag gegen Baschar al-Assad und rief zu seinem Sturz auf. Scheich al-Qardawi ist der Präsident der Internationalen Union der Ulema und gleichzeitig europäischer Präsident für Forschung und Fatwa. Er ist der Ratgeber der Moslembrüder und predigt einen originalen Islam, eine Mischung aus US-amerikanischer "Marktdemokratie“ und saudischem Obscurantismus: er akzeptiert das Prinzip gewählter Führer, vorausgesetzt, diese verpflichten sich, die Scharia in ihrer beschränktesten Auslegung anzuwenden.

Ein Drittel der Syrer töten!

Dem Beispiel von Youssef al-Qardawi folgte auch der saudische Religionslehrer Saleh El-Haidane, der dazu aufrief „ein Drittel der Syrer zu töten, damit die zwei anderen Drittel leben“ (sic). Ein Drittel der Syrer töten? Das bedeutet, Christen, Juden, Schiiten, Alewiten und Drusen umbringen. Damit die zwei Drittel leben? Das heißt, einen sunnitischen Staat errichten, damit dieser seine eigene Bevölkerung läutert.

Bis heute scheint allein der palästinensische Zweig der Moslembrüder, die Hamas, unempfänglich gegen die Verführung durch Petrodollars der Sudairi. Ihr Chef, Khaled Mechaal, bestätigte, nicht ohne einen Moment des Zögerns, dass er im Exil weiter in Damaskus bleiben wird und dass er Präsident al-Assad unterstützt. Mit seiner Hilfe begann er die imperialistischen und zionistischen Pläne zu durchkreuzen und mit der Fatah von Mahmoud Abbas einen Vertrag auszuhandeln.

Propaganda auch von BBC und France24

Seit März sind Al-Jazeera, sowie die arabischen Sendungen von BBC und France24 zu entschiedenen Propagandaorganen mutiert. Mit falschen Zeugen und manipulierten Bildern berichten sie über fabrizierte Ereignisse, um der Syrischen Republik die Stereotypen des tunesischen Regimes von Ben Ali anzuhängen.

Sie versuchen glauben zu machen, dass die syrische Armee eine der tunesischen Polizei vergleichbare Kraft der Repression ist, und dass sie nicht zögert, auf friedliche Bürger zu schießen, die für ihre Freiheit kämpfen. Diese Medien meldeten sogar den Tod eines jungen Soldaten, der sich geweigert haben soll, auf seine Mitbürger zu schießen, und deshalb durch seine Vorgesetzten zu Tode gefoltert worden sein soll. Die syrische Armee ist tatsächlich eine Armee von Wehrpflichtigen, und der junge Soldat, dessen Personalien veröffentlicht wurden, befand sich auf Urlaub. Er äußerte sich im syrischen Fernsehen und bekräftigte seinen Willen, sein Land gegen ausländische Söldner zu verteidigen.

Diese Satellitensender versuchten auch, mehrere syrische Persönlichkeiten nach dem Beispiel der Familie Ben Ali als Profiteure zu präsentieren. Sie konzentrierten ihre Kritik auf Rami Makhlouf, den reichsten Mann des Landes, einen Vetter von Präsident Assad. Sie behaupteten nach tunesischem Modell, er verlange von allen ausländischen Gesellschaften, die sich im Lande niederlassen wollen, eine persönliche Beteiligung. So etwas ist im syrischen Kontext absolut gegenstandslos und unvorstellbar. In Wirklichkeit profitierte Rami Makhlouf vom Vertrauen des Präsidenten al-Assad, und erhielt eine Mobilfunkkonzession. Und wie alle, die irgendwo auf der Welt solche Konzessionen haben, wurde er Milliardär. Die eigentliche Frage ist, ob er seine Stellung ausgenutzt hat oder nicht, um sich auf Kosten seiner Konsumenten zu bereichern. Die Antwort ist: Nein. Syrien bietet die niedrigsten Mobilfunktarife der Welt!

Wie dem auch sei, die Krone der Lüge gebührt Al-Jazeera. Der katarische Sender ging so weit, Bilder von einer Demonstration von 40.000 Moskauern zu zeigen, die ein Ende der russischen Unterstützung für Syrien forderten. In Wirklichkeit handelte es sich um Bilder von den jährlichen stattfindenden Demonstrationen zum 1. Mai, in die der Sender Schauspieler eingeschleust hatte, um falsche Straßenbefragungen vorzuführen.

Das Netzwerk von Prinz Bandar und die Regierung Obama

Der konterrevolutionäre Apparat des Sudairi stößt auf eine Schwierigkeit: Bis jetzt kämpften die Söldner von Prinz Bandar unter der Fahne von Osama Bin Laden, sei es in Afghanistan, Bosnien, Tschetschenien oder anderswo. Ursprünglich als Antikommunist geltend, wurde Bin Laden zunehmend antiwestlich. Seine Bewegung ist von der Ideologie des Zusammenpralls der Kulturen geprägt, die von Bernard Lewis verkündet und von seinem Schüler Samuel Huntington popularisiert wurde. Sie hatte ihre Glanzzeit mit den Anschlägen vom 11. September und dem Krieg gegen Terrorismus: Die Männer von Prinz Bandar verübten überall gewaltsame Wirren, wo die Vereinigten Staaten intervenieren wollten.

Im gegenwärtigen Zeitabschnitt ist es notwendig, das Image der Jihadisten zu verändern. Inzwischen sind sie dazu ausersehen, an der Seite der NATO zu kämpfen, wie sie einst an der Seite der CIA in Afghanistan gegen die Rote Armee kämpften. Es ist also angezeigt, auf den prowestlichen Diskurs zurückzukommen und ihm eine andere Substanz als Antikommunismus zu geben. Das wird die ideologische Aufgabe von Scheich Youssef al-Qardawi sein.

Um diese Umstilisierung zu erleichtern, kündigte Washington den offiziellen Tod von Osama Bin Laden an. Nach dem Verschwinden dieser Schirmherrschaftsfigur können die Söldner des Prinzen Bandar unter einer neuen Fahne mobilisiert werden.

Dieser Rollenwechsel wird von einem Spiel des Postenwechsels in Washington begleitet. General David Petraeus, der in seiner Eigenschaft als Kommandant von CentCom mit den Männern von Bandar im Nahen Osten zu tun hatte, wird Direktor der CIA. Man muss sich also auf einen beschleunigten Rückzug der NATO-Truppen aus Afghanistan und einen verstärkten Einsatz der Männer von Bandar in Geheimoperationen der CIA einstellen. Leon Panetta, der scheidende Direktor der CIA, wird Verteidigungsminister. Nach interner Absprache innerhalb der herrschenden Klasse der Vereinigten Staaten musste dieser Posten einem Mitglied der Baker-Kommission vorbehalten werden. Dazu gehört der Demokrat Panetta ebenso wie der Republikaner Gates. Bei den neuen Kriegen soll er den Bodeneinsatz beschränken – abgesehen von den Spezialtruppen.

In Riad und in Washington stellt man bereits die Todesurkunde für den "arabischen Frühling“ aus. Die Sudairi können vom Nahen Osten sagen, was zu Italien in dem französisch-italienischen Spielfilm aus dem Jahr 1963 von Luchino Visconti, gedreht nach dem gleichnamigen Roman von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, „Der Leopard“ gesagt wird: "Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass alles sich verändert."

Quelle (in zwei Teilen vom 22. bzw. 29.6.2011): http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16643 sowie http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16703

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