Berlin, 19.2.2002, "Unsere Waffe heißt Solidarität" - Kundgebung gegen die Anklage der Opfer von Genua (Fotos: Gabriele Senft)Bilder

Italienische Staatsanwälte kommen nach Berlin

Aus dem gipfelinfo vom 17.2.2002 - öffentlicher rundbrief der infogruppe [berlin]

Vom 18.-22. Februar werden in Berlin die Opfer des Polizeiüberfalls auf die Diaz-Schule in Genua als Beschuldigte vernommen. Die Vernehmungen im Auftrag der italienischen Staatsanwälte werden bezeichnenderweise von der Berliner Staatsanwaltschaft, Abteilung 'Politische Straftaten und Extremismus' durchgeführt. Der als Linkenhasser bekannte Staatsanwalt Heintke wird die Verhöre leiten.

Die Berliner Gruppe der Betroffenen aus der Diaz-Schule ruft zum Protest gegen dieses unglaubliche Vorgehen auf:

Kundgebung in Berlin

Die Repression setzt sich fort. Opfer werden zu Tätern umdefiniert. Der deutsche Staat macht sich zu Handlangern des Berlusconi-Regimes.

Am 19. Februar findet um 16.30 Uhr vor dem Amtsgericht in Moabit, Turmstr. 91, die Kundgebung "Unsere Waffe heisst Solidarität" statt.

Im Juli letzten Jahres ereignete sich in Genua ein G8-Gipfel, welcher von Protesten hunderttausender Globalisierungskritiker begleitet wurde.

Überschattet wurden die Tage des Gipfels von massiver Polizeigewalt, die in der Erschießung von Carlo Giuliani am 20. Juli und der Stürmung der Schule Diaz in der Nacht vom 21. auf den 22. Juli ihren Höhepunkt fanden. Diese Schule, die während des G8-Gipfels als Übernachtungsstätte für DemonstrantInnen zur Verfügung gestellt worden war, wurde von Einheiten des italienischen Innenministeriums, Polizei und Carabinieri überfallen. Alle dort anwesenden GlobalisierungskritikerInnen wurden massiv misshandelt und z.T. schwer verletzt, viele von ihnen wurden in die Kaserne Bolzaneto gebracht und dort weiter misshandelt. Nach vier Tagen ohne ausreichende Betreuung durch RechtanwältInnen wurden alle aus Italien abgeschoben und mit Einreiseverboten von 3-5 Jahren belegt.

Auch nach Ende des Gipfels und der Proteste wurden AktivistInnen willkürlich bei ihrer Abreise aus Genua gestoppt, festgenommen, bis zu zehn Wochen inhaftiert und teilweise im Gefängnis misshandelt.

Ihnen wird ebenso wie allen in der Schule anwesenden Personen die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung black bloc vorgeworfen. Als Beweise dienen schwarze Kleidung sowie Taschenmesser und Feuerzeuge.

Obwohl viele Betroffene Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und italienische StaatsanwältInnen Ermittlungen gegen Polizeibeamte eingeleitet haben, wurden bislang keinerlei Maßnahmen zur Feststellung der Identität der beteiligten Polizisten eingeleitet. Zunächst suspendierte leitende Beamte wurden rehabilitiert oder gar befördert. Gegen alle in der Schule anwesenden Zivilpersonen hingegen wird weiterhin wegen Sachbeschädigung, Besitz von Waffen u.a. ermittelt.

In Berlin sind zunächst acht Personen zur Beschuldigtenvernehmung bei der Berliner Staatsanwaltschaft, Abteilung 'Politische Straftaten und Extremismus' geladen. Da dieses Ressort nahezu ausschließlich gegen politische AktivistInnen aus dem linken Spektrum ermittelt, steht zu befürchten, dass sich das Interesse der Ermittlungsbehörden nicht auf das Aufdecken des brutalen polizeilichen Vorgehens richtet, sondern sich vielmehr auf die Repression sozialer Bewegung konzentriert.

Die Berliner Gruppe der Betroffenen aus der Diaz-Schule fordert deshalb:
  • Einstellung aller Verfahren und ein Ende der Repression gegen politische AktivistInnen!
  • Rücknahme aller Einreiseverbote, auch für Nicht-EU-BürgerInnen!
  • Löschung aller erhobener Daten und Dateien!
  • Lückenlose Aufklärung der Polizeiübergriffe von Genua!
  • Bestrafung der Schläger in Uniform und angemessene Entschädigung für die Betroffenen!
  • Bekanntmachung und Bestrafung der Einsatzleiter!
  • Rücktritt aller politisch Verantwortlichen!