Berlin, 6.5.2013 - "Plus für uns, plus für alle" - Warnstreik der IG Metall für 5,5 Prozent mehr GeldBilder

Tarifeinigung in der Metall- und Elektroindustrie

Einschätzung von br, 16.5.2013

Die IG Metall und der Arbeitgeberverband vereinbarten Mitte Mai in Bayern einen Tarifabschluss für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Der Tarifabschlkuss dient als Pilotabschluss für die 3,7 Millionen Beschäftigten der Branche in ganz Deutschland.

Die Metallarbeiter erhalten ab Juli 3,4 Prozent und ab 1. Mai 2014 weitere 2,2 Prozent mehr Lohn. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 20 Monaten. Die IG Metall hatte ursprünglich 5,5 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert. Die Arbeitgeber hatten 2,3 Prozent bei einer Laufzeit von 13 Monaten angeboten.

Die zweistufige Vereinbarung sei „ein fairer Kompromiss“, kommentierte IG-Metall-Chef Berthold Huber den Abschluss in München. Er behauptete, die Beschäftigten würden fair und angemessen an der wirtschaftlichen Entwicklung beteiligt. Der IGM-Bundesvorstand habe dem Abschluss bereits in der Nacht zugestimmt und ihn den übrigen Bezirken zur Übernahme empfohlen.

Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, lobte die lange Laufzeit. „Der Pilotabschluss sorgt für Planungssicherheit und zeugt von Weitblick und Fairness“, sagte er. „Das war uns viel wert, gerade in den Zeiten in denen wir uns gerade befinden.“

Die gesamte Tarifauseinandersetzung war ein abgekartetes Spiel zwischen den Unternehmen, ihrem Verband und der IG Metall. Die Gewerkschaft hatte während der Verhandlungen bundesweit 750.000 Arbeiter zu Warnstreiks aufgerufen, allein in Bayern 180.000. Die kurzen Arbeitsniederlegungen waren Teil eines eingespielten Rituals, bei dem IG Metall und Unternehmerverband jeweils ihre einstudierte Rolle spielen. Die Unternehmen können sich dabei darauf verlassen, dass die Gewerkschaft für niedrige Löhne sorgt, um sie gegen ihre internationalen Konkurrenten zu stärken. Obwohl inzwischen sogar namhafte Ökonomen und viele internationale Institutionen höhere Einkommen in Deutschland fordern, um die wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa auszugleichen, hat die IG Metall wieder einen Lohnanstieg vereinbart, der nur knapp über der Inflationsrate liegt. Die Gewerkschaft hält damit nicht nur den Metallunternehmen, sondern auch der Regierung Merkel den Rücken frei, die ganz Europa ein brutales Spardiktat aufzwingt, mit verheerenden Folgen für Arbeiter und Jugendliche. Der vereinbarte Tarifvertrag gilt zudem nur für die Stammbelegschaften in den Metallbetrieben. Mittlerweile setzen zahlreiche Unternehmen eine große Zahl von Leiharbeitern zu weit niedrigeren Löhnen ein, die wieder entlassen werden können, sobald sie nicht mehr gebraucht werden. Sie tun dies mit aktiver Unterstützung der IG Metall, die die Belegschaften systematisch spaltet.

Die IG Metall kalkuliert die billigen Leiharbeiter bewusst als Flexibilitätspuffer ein, um Produktionsschwankungen auszugleichen und zugleich die Gesamtlohnkosten zu senken. Die Leiharbeiter werden auch eingesetzt, um die Stammbelegschaften zu flexiblen Arbeitsbedingungen ohne geregelte Arbeitszeiten, freie Wochenenden und festen Urlaub zu zwingen. So hat der Gesamtbetriebsrat von BMW erst kürzlich eine entsprechende Betriebsvereinbarung unterzeichnet, die Daimler und der gesamten Automobilindustrie als Blaupause für ähnliche Vereinbarungen dient.

Die Gewerkschaften unterstützen den Einsatz von Zeitarbeit nicht nur, sondern sind am Leiharbeitsgeschäft unmittelbar beteiligt. Der DGB hat mit der Weitblick-Personalpartner GmbH jahrelang ein eigenes Zeitarbeitsunternehmen betrieben. Ver.di ist über die DAA-Stiftung Bildung und Beruf beim Unternehmen „DAA-Zeitarbeit“ involviert, das über 80.000 Arbeiter vermittelt. Die Stiftung wird vom ehemaligen stellvertretenden Bundesvorsitzenden von Ver.di, Gerd Herzenberg, geleitet. Die IG Metall setzt in ihrem Logistik-Bereich selbst Leiharbeit ein.

Der Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen ist inzwischen einer der Hauptmechanismen für Lohnsenkung und Sozialabbau. In der Autoindustrie werden auf diese Weise Lohnkürzungen durchgesetzt, die das Lohnniveau in Deutschland an die Hungerlöhne in Osteuropa und den USA angleichen.

Nur einen Tag vor dem Tarifabschluss zeigte die ARD eine Dokumentation über den Einsatz von Niedriglohnarbeitern im Rahmen von Werkverträgen bei Daimler. Jürgen Rose, Reporter des Südwestrundfunks (SWR), hatte unerkannt bei einer Zeitarbeitsfirma angeheuert, die ihn an ein Logistik-Unternehmen verlieh, das ihn per Werkvertrag bei Daimler einsetzte. Dort stand er am Band und verpackte schwere Zylinderköpfe in Tüten, um sie für die Verschiffung nach China vorzubereiten.

Rose erhielt für diese Arbeit den Tariflohn in der Zeitarbeitsbranche von 8,19 Euro pro Stunde. Das entspricht rund 1.200 Euro brutto im Monat. Der Reporter fand nicht heraus, wie viele dieser Hungerlöhner bei Daimler arbeiten. Es müssen Hunderte, wenn nicht noch mehr sein. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Daimler, Erich Klemm, will von keinem Einzigen wissen.

Die IG Metall unterstützt diese Spaltung der Belegschaft und hat die Leih- und Werkarbeit bewusst aus der Tarifauseinandersetzung herausgehalten. In Zusammenarbeit mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi arbeitet sie daran, die niedrig bezahlte Leiharbeit aufrecht zu erhalten. Die beiden größten deutschen Gewerkschaften verhandeln im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) mit den Arbeitgeberverbänden der Zeitarbeitsunternehmen über einen neuen Tarifvertrag.

Im Interesse der Zeitarbeiter ist das nicht. Deren derzeitiger Tarifvertrag, der Ende Oktober ausläuft, sieht einen Stundenlohn ab 8,19 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten vor. Wird kein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, erhalten die fast eine Million Leiharbeiter laut Gesetz den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigte.

IG Metall und Verdi wollen dagegen einen neuen Tarifvertrag mit Stundenlöhnen ab 8,50 Euro abschließen, in denen auch die Spaltung zwischen Ost und West festgeschrieben wird. So sorgen sie dafür, dass die Unternehmen auch weiterhin Zugang zu billigen Leiharbeitern haben.Am schlimmsten von allen ergeht es den Leiharbeitern mit Werkvertrag. Stundenlohn: 7,79 Euro, keine Extrazahlungen, keine Altersvorsorge, keine Erfolgsprämie. Das hochgerechnete Bruttojahreseinkommen liegt bei 16.000 Euro. Das sind 67 Prozent weniger, als die Stammbelegschaft erhält.

Die Verantwortung für diese Lohnaufsplitterung tragen vor allem die Bürokraten der IG Metall, die mit ihrem Betrug an den Leiharbeitern von Anfang an ein klares Ziel verfolgt haben: durch schlechter bezahlte Leiharbeit einen industriellen Puffer zu schaffen, der die Profite der Unternehmen vor den Auswirkungen der nachlassenden Konjunktur schützt und die Arbeiter spaltet. Wie 70.000 seit Herbst 2011 bis Juli 2012 entlassene Leiharbeiter beweisen, ist ihnen dies gelungen.

Für die 250.000 Leiharbeiter in der deutschen Metall- und Elektroindustrie gilt seit dem 1. November 2012 ein Tarifvertrag. Die zwischen der IG Metall, dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) abgeschlossene Vereinbarung gilt nach Aussagen der Gewerkschaft auch als Muster für andere Branchen.Das Ergebnis ist in den Worten der Verhandlungsführerin der IG Metall, Helga Schwitzer, ein „wichtiger Schritt hin zur fairen Bezahlung von Leiharbeitnehmern“. Mit ihm sei ein wesentliches Ziel zur Verbesserung der Bedingungen von Leiharbeitern in der Metall- und Elektroindustrie erreicht worden.

Nichts davon ist der Fall. In dem Tarifvertrag heißt es u.a.: „(Wenn) es in einem Betrieb keine Betriebsvereinbarung zur Leiharbeit (gibt), dann wird künftig schon nach 18 Monaten überprüft, ob der Leiharbeiter übernommen wird. Nach 24 Monaten Beschäftigung ist Übernahme Pflicht.“Derartige Regelungen sind vollkommen wertlos. Die Leiharbeitsfirmen brauchen die betroffenen Arbeiter nur zum passenden Zeitpunkt für einige Tage an eine andere Firma auszuleihen, und schon erlischt der Anspruch auf Übernahme.

Das Gleiche gilt für die vereinbarten Branchenzuschläge von 15 Prozent nach sechs Wochen und bis zu 50 Prozent nach neun Monaten. Ein kurzer Einsatz in einem anderen Betrieb, und der Leiharbeiter darf ohne Lohnerhöhung weiter arbeiten. Die Zahlung von gerade einmal 300 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld setzt sogar eine durchgehende Beschäftigungsdauer von mindestens drei Jahren voraus – eine Zeitspanne, die so gut wie nie erreicht wird.

Werkverträge werden in der Tarifvereinbarung überhaupt nicht erwähnt, obwohl zahlreiche Leiharbeitsfirmen das Lohndumping inzwischen auf diese Weise vorantreiben. Auch die übrigen Vereinbarungen – wie die Öffnungsklausel, die Unternehmen „bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ betriebliche Sonderregelungen erlaubt, oder die fünfjährige (!) Laufzeit des Tarifvertrages – zeigen, dass die IG Metall ihrem bisherigen Kurs gegenüber Leiharbeitern treu bleibt: Sie gibt sich als ihre vermeintlicher „Interessensvertreterin“ aus und hintergeht sie dabei nach Strich und Faden.

Begonnen hat die IG Metall diesen Kurs 2004. Damals stand die rotgrüne Regierung bei der Einführung der Agenda 2010 vor dem Problem, dass das europäische Recht die formale Gleichbehandlung von Leiharbeitern mit den Stammbelegschaften forderte. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) musste unter SPD und Grünen in diesem Sinne geändert werden.

Es gab nur eine einzige Möglichkeit, diese gesetzlichen Regelungen zu umgehen: Wenn Gewerkschaften bereit waren, Tarifverträge abzuschließen, in denen eine Schlechterstellung der Leiharbeiter festgeschrieben wurde. Genau das taten der Christliche Gewerkschaftsbund für Zeitarbeit und Personal (CGZP) und die IG Metall. Obwohl sich in ihren Reihen kaum Leiharbeiter befanden, boten sie sich der damaligen Arbeitgeberorganisation AMP als Partner an und schlossen Tarifverträge, die die Leiharbeiter gegenüber dem Stammpersonal empfindlich benachteiligten.


Erneuten Angriff auf das Streikrecht abwehren

Manfred Jansen, Sprecher des DKP-Bezirksvorstandes Baden Württemberg für Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 2.12.2013

2011 machte unter Gewerkschaftern eine alarmierende Meldung die Runde. DGB-Gewerkschaftsführungen hatten Hand in Hand mit Unternehmerverbänden unter dem Schlagwort »Tarifeinheit« eine Gesetzesinitiative zur Änderung des Streikrechtes vorgeschlagen. Demnach sollte für jeden Betrieb nur noch ein Tarifvertrag gelten nämlich der von der Gewerkschaft, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat.

Das beinhaltete auch, dass andere Gewerkschaften (etwa im Bereich der Eisenbahnergewerkschaft TRANSNET die GDL) keine Tarifverträge mehr abschließen könnten und darüber hinaus alle Beschäftigten der Bahn an die »Friedenspflicht« gebunden wären, die sich aus den Verträgen der TRANSNET ergäben. Man stelle sich vor, die Gewerkschaftsführung vereinbart einen niedrigen Tarifabschluss mit langer Laufzeit und wer während dieser für Lohnerhöhungen streikt, kann für den finanziellen Schaden regresspflichtig gemacht werden.

Man stelle sich die Schwierigkeiten bei der Mitgliedergewinnung vor, wenn jede Gewerkschaft in jedem Betrieb dem Unternehmer gegenüber nachweisen müsste, wer alles Mitglied ist, um ihre Tarifhoheit zu beweisen.

GewerkschafterInnen, gewerkschaftliche Gliederungen und Gremien liefen gegen die geplante massive Einschränkung des verfassungsrechtlich garantierten Grundrechtes auf Koalitionsfreiheit Sturm. Das Streikrecht gemeinsam mit dem Gegner noch weiter zu beschneiden, sei Verrat der Gewerkschaftsführungen meinten Viele.

Befürworter der Streikrechtsänderung unterstellten, Minderheitsgewerkschaften würden sich vom vorhandenen Verteilungsvolumen, aufgrund ihrer privilegierten Stellung an wichtigen Schalthebeln, ungebührlich viel erkämpfen, das den Anderen dann fehle. Sie würden sich auf Kosten der schlechter positionierten KollegInnen bereichern. Das müsse man unterbinden.

Die Gegner machten darauf aufmerksam, dass es ein gesetztes Verteilungsvolumen nur dann gibt, wenn man überhaupt nicht mehr in Erwägung zieht, die Profite der Kapitalseite zu beschneiden. Dass es eben nicht darum geht, das Stück vom Kuchen, das die Unternehmer den Beschäftigten zugedacht haben, gerecht zwischen diesen aufzuteilen, sondern den ganzen Kuchen umzuverteilen zugunsten der Beschäftigten, zu Lasten der Unternehmer.

Namhafte gewerkschaftliche Arbeitsrechtler wie Wolfgang Däubler erhoben schwere rechtlich Bedenken gegen das Vorhaben. Unter dem massiven Druck der Basis zogen die Gewerkschaftsführungen damals ihre Initiative zurück. Damit war die Gesetzesänderung vom Tisch – vorläufig!

Nun kommt der gleiche Angriff erneut. Diesmal in Form der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU/CSU und SPD. Offiziell sind die Gewerkschaften diesmal nicht involviert. Das vermindert die Anfälligkeit gegen Basisproteste. Funktionäre wie zum Beispiel der neue IG-Metall Vorsitzende Detlef Wetzel klatschen diesmal aus der zweiten Reihe Beifall.

Ein massiver Angriff auf die verfassungsmäßige Koalitionsfreiheit, auf das Streikrecht, auf das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen bleibt das Vorhaben trotzdem. Grund genug, wieder massenhaft Widerstand zu organisieren.