Bremen, 1995 - Als in Bremen das Kulturzentrum 'Westend', ein ehemaliges Straßenbahndepot, eingeweiht wurde, fragte der Personaldirektor der Bremer Straßenbahn AG den Leiter, wie man denn nun mit dem Zentrum zusammenarbeiten könnte. Diesem fiel spontan die Gruppe der Arbeiterfotografen ein, die jede Woche donnerstags ab 19 Uhr in seinem Zentrum tagt. Das Interesse der Arbeiterfotografen war, erstens ihre Portraitfotografie weiter zu entwickeln und zweitens Fotos aus dem Kernbereich der Arbeitswelt zu machen. Darüberhinaus sollte ein Sponsor gefunden werden, damit am Ende eine solide Ausstellung stehen konnte. Dies alles war bei der BSAG gegeben. Es stellte sich heraus, daß im Hauptgebäude der Straßenbahngesellschaft Fotos hingen, die ebenfalls MitarbeiterInnen der BSAG zeigten. An diesen Bildern hatte aber schon erheblich der Zahn der Zeit - vor allem in Gestalt der UV-Strahlung - gekratzt. Damit war klar, daß für die BSAG auch ein sinnvoller eigener Verwendungszusammenhang für die Fotos der Bremer Arbeiterfotografen vorhanden war. Die AF-Fotos sollten nach Beendigung des Projekts in den Fluren der BSAG hängen. Nach einem ausführlichen Informationsgespräch mit dem Personaldirektor starteten die ArbeiterfotografInnen ihr Projekt, das sich unter vielerlei Gesichtspunkten als günstig erwies: Der Betrieb ist sehr groß und mit einer Reihe von Service- und Produktionsstätten über ganz Bremen verteilt. Die BSAG ist sehr vielfältig strukturiert. Es gibt Produktionsstätten, Servicestellen, Bautrupps, große Büros, den Fahrdienst. Vom dicken Hammer bis zum großen Computer und vom 'Blaumann' bis zum damenhaften Bürokleidchen ist alles vorhanden. Last not least: Gearbeitet wird rund um die Uhr. Die Zugangsmöglichkeiten waren für die ArbeiterfotografInnen optimal: Jede(r) konnte sich aussuchen, wann und wo er/sie fotografieren wollte. Z.B. konnten einige von uns aufgrund ihrer Berufstätigkeit hauptsächlich nur die Nachtschicht fotografieren. Die BSAG hatte eigens eine Mitarbeiterin bereitgestellt, die für uns die jeweiligen Termine mit den Betriebsteilen organisierte. Diese Kollegin hat diesen Job für uns optimal gemacht: Sie hat in kürzester Zeit Orts- und Zeitabsprachen zustandegebracht, wovon seitens der BSAG und der Arbeiterfotografie nicht eine einzige schief gelaufen ist, und das bei minutiöser Planung: z.B. an einem bestimmten Tag um 8 Uhr 12 an der Haltestelle XY der Linie 3 einsteigen, um dort den Fahrer F. zu portraitieren. Auch inhaltlich hat die betreuende Kollegin der BSAG mitgedacht. Sie hat sich bemüht, für uns Arbeitsphasen herauszufinden, die auch fotografisch etwas bringen. Die Fotografiephase des Projekts dauerte ca. ein halbes Jahr. Danach folgte eine Ausstellung mit über fünfzig Exponaten im Kulturzentrum 'Westend'. Zur Eröffnung sprach u.a. die Sozialsenatorin des Landes Bremen. Wir konnten die BSAG dafür gewinnen, mit der Ausstellung aktiv umzugehen, d.h. sie an vielerlei Orten und zu mancherlei Gelegenheiten zu präsentieren, beispielsweise bei einer großen Tagung der AFA, der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD, demnächst in den diversen Betriebsteilen der BSAG und später eventuell in Gestalt einer umfangreichen Broschüre oder eines kleinen Büchleins. Von der Qualität der Bilder ließ sich auch die ÖTV überzeugen: Sie kaufte ein mengenmäßig verringertes Duplikat der Ausstellung an für die eigenen Räumlichkeiten im DGB-Haus. Gleichzeitig bat sie uns, ein ähnliches Projekt mit KollegInnen des Bremer Gartenbauamts durchzuführen. Daran arbeiten wir zur Zeit. Text aus Arbeiterfotografie Heft 76 |